Soweit es bei der Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG darum geht, ob nicht nur der Abflusszeitpunkt einer Ausgabe, sondern auch ihr Fälligkeitszeitpunkt innerhalb des maßgebenden 10-Tageszeitraums liegt, ist die Regelung des § 108 Abs. 3 AO aus teleologischen Gründen nicht anzuwenden (Thüringer FG v. 27.01.2016 - 3 K 791/15; Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt).

Hintergrund: Im Rahmen der Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG sind Ausgaben gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Als Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 11 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 S. 2 EStG für gewisse Fälle eine periodengerechte Berücksichtigung von Ausgaben vor. Danach gelten regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, abgeflossen sind, als in diesem Kalenderjahr angefallen. Als „kurze Zeit“ gilt ein Zeitraum von bis zu 10 Tagen (10-Tageszeitraum; vgl. BFH, Urteil v. 11.11.2014 - VIII R 34/12). Sachverhalt: Streitig war, ob die Klägerin, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelte, eine von ihr am 08.01.2015 geleistete Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Dezember 2014, welche bei Anwendung des § 108 Abs. 3 AO statt am Samstag, den 10.01.2015, erst am 12.01.2015 fällig war, (noch) im Kalenderjahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit, mithin im Jahr 2014, als Betriebsausgabe abziehen konnte. Das FA vertrat die Auffassung, die Zahlung sei dem Jahr 2015 zuzurechnen, da die Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht greife, wenn der Fälligkeitstag wegen Eingreifens des § 108 Abs. 3 AO außerhalb des 10-Tageszeitraumes liege. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg:
  • Das FA hat zu Unrecht die durch die Klägerin am 08.01.2015 geleistete Umsatzsteuervorauszahlung fĂĽr den Monat Dezember 2014 nicht im Kalenderjahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit, dem Jahr 2014, als Betriebsausgabe berĂĽcksichtigt.
  • Die Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung Dezember 2014 ist innerhalb der kurzen Zeit, am 10.01.2015, eingetreten.
  • Zwar verlängert sich nach § 108 Abs. 3 AO die durch die Klägerin zu wahrende Zahlungsfrist zu deren Gunsten bis zum folgenden Werktag, sofern deren Ende auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt.
  • Diese zu Gunsten der Klägerin geschaffene Regelung hätte aber in den Jahren, in denen der gesetzlich bestimmte Fälligkeitszeitpunkt fĂĽr die Umsatzsteuervorauszahlung Dezember zufällig auf einen Samstag oder Sonntag im Januar des Folgejahres fällt, zur Folge, dass die aus GrĂĽnden der das Steuerrecht beherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise geschaffene Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG leerliefe und gar nicht eingreifen könnte.
  • Denn die nach § 108 Abs. 3 AO auf den nächsten Werktag hinausgeschobene Fälligkeit läge in diesen Fällen stets auĂźerhalb des 10-Tageszeitraums. Damit könnte § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG bereits deshalb nicht zur Anwendung kommen.
  • Dieses Ergebnis widerspricht dem in der Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen.
  • Die Auffassung des FA macht im Gegensatz dazu den Betriebsausgabenabzug davon abhängig, auf welchen Wochentag der 10. Januar des Folgejahres fällt. Dies entspricht nicht dem Sinn der Vorschrift.
  • Soweit es - wie im vorliegenden Streitfall - bei der Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG darum geht, ob nicht nur der Abflusszeitpunkt einer Ausgabe, sondern auch ihr Fälligkeitszeitpunkt innerhalb des maĂźgebenden 10 Tageszeitraums liegt, ist aus teleologischen GrĂĽnden die Regelung des § 108 Abs. 3 AO nicht anzuwenden.
  • Stattdessen ist von dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt des § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG auszugehen, selbst wenn - wie hier - der 10. Januar des Folgejahres auf einen Samstag oder Sonntag fällt.
Hinweis: Die Entscheidung ist auch für den Betriebsausgabenabzug im Kalenderjahr 2015 relevant. Denn auch in 2016 fiel der 10.01. auf einen Sonntag. Das FA hat gegen die Entscheidung NZB eingelegt. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az. X B 90/16 anhängig. Quelle: Thüringer FG v. 27.01.2016 - 3 K 791/15, NWB Datenbank (il) Hauptbezug: Thüringer FG v. 27.01.2016 - 3 K 791/15 Verwandte Artikel:
  • Schlegel, BerĂĽcksichtigung der Umsatzsteuervorauszahlung als Betriebsausgabe im „Vorjahr“, NWB 39/2016 S. 2946, NWB DokID: GAAAF-82034
  • Rätke, Richtiger Umgang mit Umsatzsteuer-Voranmeldung und –Jahreserklärung, BBK 15/2016 S. 737, NWB DokID: DAAAF-78864
  • Herold, Letzter Rettungsanker beim Thema „Umsatzsteuer und Zehn-Tage-Regelung“, NWB 20/2016 S. 1491, NWB DokID: TAAAF-73111
Jetzt Seminare buchen: Umsatzsteuer - Ă„nderungen und aktuelle Praxisfragen 2016Umsatzsteuer - Grundlagenseminar
Newsletter-Redaktion
Ass. jur. Andreas Illi (v.i.S.d.P.)
 
NWB Verlag GmbH & Co. KG
Eschstr. 22 - 44629 Herne
www.nwb.de
Kontakt
Wir sind fĂĽr Sie da

Haben Sie nicht etwas vergessen?

Kein Problem! Wir haben Ihren Warenkorb fĂĽr Sie gespeichert!
Nur noch ein paar Klicks und schon kommen Sie Ihrem Weiterbildungsziel ein Stück näher.
 
Sind Sie sich noch unsicher oder benötigen Beratung? Zögern Sie nicht uns zu kontaktieren! Wir beraten Sie gern und klären alle offenen Fragen.

Nichts mehr verpassen!

Angebote, regelmäßige Infos und Tipps zum Thema Weiterbildung & Karriere  - Bleiben Sie mit unserem Newsletter immer auf dem Laufenden. Jetzt anmelden!