Der 10. Senat des Finanzgerichts Köln hat sich mit den Voraussetzungen einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnung beschäftigt. Im Streitfall ging es um die Anforderung der „vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers“. Das FG Köln hält in Anbetracht der technischen Fortentwicklung und der Änderung von Geschäftsgebaren die Anforderung der bisherigen Rechtsprechung an die Anschrift, dass dort geschäftliche Aktivitäten stattfinden, für überholt (FG Köln, Urteil v. 28.4.2015 - 10 K 3803/13; Revision anhängig).Hintergrund: Eine zum
Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung muss nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG u.a. die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Die Angabe muss im Zeitpunkt der Rechnungsbegebung richtig sein (BFH, Urteil v. 2.9.2010 - V R 55/09). Die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, soll als zutreffende Anschrift für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung (grundsätzlich) nicht ausreichen (BFH, Beschlüsse v. 26.9.2014 - XI S 14/14, Rz. 36 und v. 18.2.2015 - V S 19/14, Rz. 29). Jedoch kann nach den Umständen des Einzelfalls auch die Angabe eines „Briefkastensitzes“ mit postalische Erreichbarkeit als Anschrift, die die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erfüllt, genügen (BFH, Beschluss v. 26.9.2014 - XI S 14/14, a.a.O.). Wann dies der Fall ist, hat die Rechtsprechung bisher nicht präzisiert.
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:- Der Senat kommt im Streitfall zu dem Ergebnis, dass die Rechnungen zum Vorsteuerabzug berechtigen, obwohl an der angegebenen Anschrift keine geschäftlichen Aktivitäten stattgefunden haben.
- Der Senat hält in Anbetracht der technischen Fortentwicklung und der Änderung von Geschäftsgebaren die Anforderung an die Anschrift, dass dort geschäftliche Aktivitäten stattfinden, für überholt.
- Die Angabe der Anschrift auf der Rechnung hat den Zweck, den leistenden Unternehmer eindeutig zu identifizieren und soll es unter anderem auch der Finanzverwaltung ermöglichen, den Unternehmer postalisch zu erreichen. Ist die postalische Erreichbarkeit (z.B. um Schreiben zu übersenden bzw. Schriftstücke zuzustellen) gewährleistet, kommt es nicht darauf an, welche Aktivitäten unter der Postanschrift erfolgen.
- Das Kriterium der „geschäftlichen Aktivitäten“ ist außerdem viel zu unbestimmt: Müssen dort Kunden empfangen werden? Muss der leistende Unternehmer sich dort regelmäßig (wie lange) aufhalten? Muss er wirklich im Büro geschäftlich tätig werden oder reicht es aus, wenn er dort Zeitung liest und ansonsten von unterwegs mit Handy und Laptop tätig wird? Wer soll überprüfen, in welchem (nicht bestimmten) Umfang unter der Anschrift geschäftliche Aktivitäten stattfinden?
Hinweis (aktualisiert am 2.9.2015): Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, unter welchen Voraussetzungen Rechnungen mit einer Anschrift, unter der keine geschäftlichen, zumindest keine büromäßigen, Aktivitäten stattfinden, zum Vorsteuerabzug berechtigen (BFH-Az.: V R 25/15). Mit einer am 2.9.2015 veröffentlichten Entscheidung hat der BFH in einer anderen Rechtssache zwischenzeitlich nochmals die Auffassung geäußert, dass der leistende Unternehmer unter der angegebenen Anschrift geschäftliche Aktivitäten entfalten muss. Soweit er im Urteil v. 19.4.2007 (Az. V R 48/04) geäußert habe, ein "Briefkastensitz" mit nur postalischer Erreichbarkeit könne ausreichen, halte er hieran nicht mehr fest (s. BFH, Urteil v. 22.7.2015 - V R 23/14; NWB Nachricht v. 2.9.2015).
Hauptbezug: FG Köln, Urteil v. 28.4.2015 - 10 K 3803/13,
NWB DokID: QAAAE-99963Verwandte Artikel:- Langer, Hammerl, Rechnungen im Umsatzsteuerrecht, NWB 17/2013 S. 1278, NWB DokID: JAAAE-34168
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