Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit von gemäß § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheiden. Darüber hinaus ist ernstlich zweifelhaft, ob der in der Person des Bauleistenden begründete Steueranspruch entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich geworden sein könnte (BFH, Beschluss v. 27.1.2016 - V B 87/15; veröffentlicht am 24.2.2016).Hintergrund: 2013 urteilte der BFH, dass Bauträger für bezogene Leistungen nicht Steuerschuldner nach § 13b UStG sind. Das BMF schloss sich später dieser Rechtsauslegung an (BMF, Schreiben v. 5.2.2014; NWB DokID: [KAAAE-55028]). Unklar blieb zunächst, ob die Finanzbehörden die Steuer dann rückwirkend von den Bauleistenden einfordern können oder diese sich auf den Vertrauensschutz berufen können. Mit einer Gesetzesänderung wurde dann eine Abtretungsregelung in Form des § 27 Abs. 19 UStG geschaffen, der Vertrauensschutz an dieser Stelle ausschließt. Die Neureglung betrifft vor dem 15.2.2014 erbrachte umsatzsteuerpflichtige Leistungen, bei denen leistender Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen sind, dass der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, diese Annahme sich aber nachträglich als unrichtig herausstellt. Für diesen Fall begründet § 27 Abs. 19 UStG eine Änderungsmöglichkeit der Steuerfestsetzung beim Leistenden. Sachverhalt: Der Antragsteller erbrachte in den Streitjahren (2011 bis 2013) Bauleistungen für einen Bauträger. Letzterer verwendete die Leistungen ausschließlich zur Ausführung steuerfreier Umsätze. Der Antragsteller rechnete gegenüber dem Bauträger ohne Umsatzsteuerausweis ab. Die auf die Bauleistungen entfallende Umsatzsteuer behielt der Bauträger als Leistungsempfänger ein und führte diese - als vermeintlichen Steuerschuldner und ohne Recht auf Vorsteuerabzug - an das Finanzamt (FA) ab. Nach Änderung der Rechtsprechung forderte der Bauträger (später) Mitte 2014 die auf die Bauleistungen entfallende Umsatzsteuer für die Streitjahre vom FA zurück. Dem folgte das FA und erließ geänderte Steuerbescheide. Gegenüber dem Antragsteller änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzungen jeweils gemäß § 164 AO und erhöhte die Umsatzsteuer. Hierzu führte der BFH weiter aus:
  • Es bestehen fĂĽr die Streitjahre 2011 und 2012 ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG. Der beschlieĂźende Senat folgt insoweit dem BFH-Beschluss v. 17.12.2015 - XI B 84/15, auf den er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist.
  • DarĂĽber hinaus ist fĂĽr alle Streitjahre, also auch fĂĽr das Jahr der erstmaligen Veranlagung (2013), ernstlich zweifelhaft, ob der festgesetzte Steueranspruch besteht, da er aufgrund einer Berichtigung entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bereits entfallen sein könnte.
  • Die Voraussetzungen fĂĽr eine unmittelbare Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG liegen zwar nicht vor. Eine entsprechende Anwendung könnte demgegenĂĽber auf der durch die Verwaltungsanweisung verursachten Uneinbringlichkeit des materiell-rechtlich geschuldeten Steuerbetrags beruhen.
  • Bei entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 1 und 2 UStG hat der Antragsteller die an den Bauträger erbrachten Leistungen erst dann zu versteuern, wenn er den darauf entfallenden Umsatzsteuerbetrag vereinnahmt.
  • Der RĂĽckforderung der - zu Unrecht an das FA abgefĂĽhrten - Umsatzsteuer durch den Leistungsempfänger könnte eine entsprechend § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG - zeitgleich auch beim Leistungsempfänger - vorzunehmende Berichtigung entgegenstehen. Auch insoweit kann im Steuerschuldverhältnis der Grundsatz von Treu und Glauben zu berĂĽcksichtigen sein.
  • Die vom Bauträger und Bauunternehmer ĂĽbereinstimmend - entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung angenommene Steuerschuld des Bauträgers - entfiele dann entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erst aufgrund einer Zahlung des Steuerbetrags durch den Bauträger (Leistungsempfänger) an den Bauunternehmer (Leistender). Im Fall einer Abtretung kann die Zahlung auch an den Steuergläubiger als Zessionar (Abtretungsempfänger) erfolgen (§ 27 Abs. 19 Satz 3 und 4 UStG).
Hauptbezug: BFH, Beschluss v. 27.1.2016 - V B 87/15; NWB DokID: SAAAF-67282Verwandte Artikel:
  • Vanheiden, Vertrauensschutz bei Bauleistungen, USt direkt digital 3/2016 S. 6, NWB DokID: SAAAF-58453
  • Wolter/Grollmann, „Abtretungslösung“ fĂĽr Bauträger- Altfälle unanwendbar?, NWB 50/2015 S. 3762, NWB DokID: VAAAF-09012
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