Hintergrund: Rückstellungen für ungewisse Verpflichtungen aus öffentlichem Recht dürfen nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann gebildet werden, wenn sie am Bilanzstichtag hinreichend inhaltlich und zeitlich konkretisiert sind. Die Konkretisierung kann unmittelbar durch gesetzliche Vorschriften oder durch eine behördliche Entscheidung erfolgen. Die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise von Ärzten wird durch gemeinsame Prüfgremien untersucht, die von den Landesverbänden der Krankenkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen gebildet werden. In einem mehrstufigen Verfahren wird untersucht, ob die Abweichung von den Richtgrößen durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt ist.
Sachverhalt: Eine Gemeinschaftspraxis von Ärzten hatte die maßgeblichen Richtgrößen für die Verordnung von Arznei- und Heilmitteln in mehreren Quartalen erheblich überschritten. Dies hatte die zuständige Kassenärztliche Vereinigung beanstandet. Schließlich waren Überprüfungsverfahren eingeleitet worden. In ihren Bilanzen hatten die Ärzte deshalb gewinnmindernde Rückstellungen wegen der befürchteten Festsetzung von Regressen gebildet. Das FA sah keinen ausreichenden Nachweis für das Bestehen von ungewissen Verbindlichkeiten und löste die Rückstellungen auf. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Der BFH dagegen hob das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Hierzu führten die Richter weiter aus:
- Die Voraussetzungen für die Bildung und Beibehaltung einer Rückstellung wegen erwartbarer Honorarrückforderungen lagen im Streitfall vor.
- Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bilanzstichtags 30.6.2003 bestand eine hinreichend konkretisierte Verbindlichkeit (Pflicht zur Honorarrückzahlung an die KÄV).
- Denn die Klägerin musste aufgrund der vorgegebenen Richtgrößen der KÄV für die Arzneimittelverschreibung von einer erheblichen Überschreitung der Vorgaben in den vier Quartalen des Jahres 2002 ausgehen und durfte aus der maßgeblichen Sicht eines vorsichtigen Kaufmanns mit der Einleitung eines Prüfverfahrens wegen Überschreitung der Richtgrößen um mehr als 25 % sowie mit einer Erstattungspflicht nach § 106 Abs. 5a Satz 4 SGB V rechnen.
- Dem steht nicht entgegen, dass einer Inanspruchnahme der Klägerin ein strukturiertes Verfahren (Hinwirken auf eine Vereinbarung, förmliche Feststellung des Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, Anhörung der betroffenen Ärzte) vorgeschaltet war.
- Das Überschreiten der Richtgrößen um mehr als 25% hatte die Wirkung eines Anscheinsbeweises für die Unwirtschaftlichkeit der Verordnungsweise, gegenüber dem sich die Klägerin entlasten musste.
- Dies genügt angesichts des eingeleiteten Prüfverfahrens, um eine Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin zum 30. Juni des Streitjahres als hinreichend wahrscheinlich anzusehen.
Hauptbezug: BFH, Urteil v. 5.11.2014 - VIII R 13/12, NWB DokID: EAAAE-89764
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RA, Dipl.-Finanzwirt (FH) Thomas Egle (v.i.S.d.P.)
Ass. jur. Andreas Illi
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