Hintergrund: Zur bis 2013 geltenden Rechtslage war der BFH zu dem Schluss gelangt, dass Leiharbeitnehmer typischerweise nicht über eine regelmäßige Arbeitsstätte (so der bisherige Begriff) verfügen und daher die Fahrtkosten zu dem Entleihbetrieb nach Dienstreisekostengrundsätzen (0,30 € pro gefahrenen Kilometer) berechnen können (s. hierzu BFH, Urteil vom 17.06.2010 - VI R 35/08 sowie vom 15.05.2013 - VI R 43/12). Fraglich war, ob dies auch noch nach dem neuen Reisekostenrecht gilt. Danach sind Fahrtkosten zwischen dem Wohnort und der "ersten Tätigkeitsstätte" (neuer gesetzlicher Begriff; § 9 Abs. 4 EStG) auf die sog. Entfernungspauschale (0,30 € pro Entfernungskilometer) begrenzt. Sachverhalt: Der Kläger war seit Mai 2012 bei einer Leiharbeitsfirma als Helfer beschäftigt. Das Leiharbeitsverhältnis war zunächst bis November 2012 befristet und mehrfach bis Mai 2015 verlängert worden. Nach dem Arbeitsvertrag musste der Kläger mit einer jederzeitigen Umsetzung/Versetzung - bundesweit - einverstanden sein. Im Streitjahr 2014 war der Kläger ganzjährig für einen Entleihbetrieb tätig. Den mit der Einkommensteuererklärung 2014 beantragten Werbungskostenabzug von Aufwendungen für Fahrten zwischen der Wohnung und dem Entleihbetrieb (0,30 € pro gefahrenen Kilometer) beanstandete das Finanzamt (FA) und ließ unter Hinweis auf das neue Reisekostenrecht nur den Abzug der Entfernungspauschale zu. Das FA ging dabei von einer dauerhaften Zuordnung zum Entleihbetrieb und damit von einer ersten Tätigkeitsstätte des Leiharbeitnehmers aus. Dem ist der 9. Senat des FG Niedersachsen entgegen getreten:
- Die Zuweisung des Leiharbeitsgebers, „bis auf Weiteres“ in einer betrieblichen Einrichtung des Entleihers tätig zu sein, kann nicht als unbefristet i. S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alt. EStG angesehen werden (entgegen BMF, Schreiben vom 24.10.2014 - IV C 5-S 2353/14/10002, BStBl I 2014, 1412, Tz. 13).
- Aufgrund der gesetzlichen Beschränkung der Arbeitnehmerüberlassung ist bereits aus Rechtsgründen bei Leiharbeitsverhältnissen keine dauerhafte Zuordnung zu einem Entleihbetrieb denkbar. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist nur eine vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zulässig.
Das FG hat die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Eine BFH-Az. liegt derzeit noch nicht vor. Von den Auswirkungen der Entscheidung sind fast eine Million Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer in Deutschland betroffen. Die Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz unter Angabe des Az. abrufbar. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze. Quelle: FG Niedersachsen, Pressemitteilung vom 16.01.2017 (il) Hauptbezug: FG Niedersachsen, Urteil vom 30.11.2016 - 9 K 130/16, NWB DokID: TAAAG-37212Verwandte Artikel:
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