Hintergrund: § 27 Abs. 19 UStG lautet: "Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b auf eine vor dem 15. Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein. § 176 der Abgabenordnung steht der Änderung nach Satz 1 nicht entgegen. Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt kann auf Antrag zulassen, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt. Die Abtretung wirkt an Zahlungs statt, wenn
- der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine erstmalige oder geänderte Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellt,
- die Abtretung an das Finanzamt wirksam bleibt,
- dem Leistungsempfänger diese Abtretung unverzüglich mit dem Hinweis angezeigt wird, dass eine Zahlung an den leistenden Unternehmer keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat, und
- der leistende Unternehmer seiner Mitwirkungspflicht nachkommt."
- Ob § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben genügt, soweit er den Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO ausschließt, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und umstritten.
- Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vorschrift haben: FG Münster, Beschluss v. 12.8.2015 – 15 V2153/15 U, FG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 3.6.2015 - 5 V 5026/15 FG Niedersachsen, Beschlüsse v. 3.7.2015 - 16 V 95/15, v. 20.7.2015 - 16 V 132/15 sowie 16 V 135/15).
- Keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit haben: FG Nürnberg, Beschluss v. 26.8.2015 - 2 V 1107/15, FG Düsseldorf, Beschluss v. 31.8.2015 - 1 V 1486/15 A (U), Hessisches FG, Beschluss v. 13.10.2015 - 1 V 1483/15 und das FG Sachsen, Beschluss v. 22.9.2015 - 4 V 1014/15.
- Angesichts dieser ungeklärten - auch in der Literatur umstrittenen - Rechtslage war die beantragte AdV zu gewähren.
- Denn ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärenden Fragen im Hauptsacheverfahren zu entscheiden.
- Die Entscheidung, ob das Vertrauensschutzkonzept des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG im konkreten Einzelfall den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben genügt, den Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO zu suspendieren, wenn dem Bauleistenden kein Vermögensschaden droht, d.h. wenn er dem Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nachberechnen und dem Finanzamt den zivilrechtlichen Anspruch abtreten kann, ist mithin dem Hauptsachverfahren einer noch zu erhebenden Klage vorbehalten (so zutreffend FG Münster, Beschluss v. 12.8.2015 – 15 V2153/15 U, Rz 26).
- Scholz/Nattkämper, Reverse-Charge-Verfahren, Grundlagen, NWB DokID: YAAAE-26319
- Seifert, Vertrauensschutz bei Bauleistungen , StuB 19/2015 S. 755, NWB DokID: MAAAF-04774
- Streit/Fietz, Aktuelles zum Vertrauensschutz für Bauleistende , NWB 35/2015 S. 2576, NWB DokID: XAAAE-99135
- Trinks, Keine rückwirkende Änderung bei Bauträgerfällen, USt direkt digital 11/2015 S. 7, NWB DokID: HAAAE-92163
- Lippross, Umsatzbesteuerung von Bauleistungen nach § 13b UStG in sog. Altfällen, NWB 10/2015 S. 677, NWB DokID: HAAAE-84948
RA, Dipl.-Finanzwirt (FH) Thomas Egle (v.i.S.d.P.)
Ass. jur. Andreas Illi
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