Und siehe, ein großes Unglück brach über die Menschheit herein, und um die Gesundheit und das Leben ihrer Bevölkerung zu schützen, beschlossen die Könige dieser Welt einen nie da gewesene Abriegelung ihrer Untertanen. Und die Ausrufer auf den Marktplätzen in allen Ländern kannten nur noch zwei Themen: die Pandemie – und die Auswirkung derselben auf die heimische Wirtschaft.
Mit nie dagewesener Kraft versuchen nun die Politiker in unserem Land, die heruntergefahrene Wirtschaft wieder hochzufahren. Das ist mehr als lobenswert. Aber von den vielen schlechten Ideen, die im Laufe der letzten Wochen geäußert wurden, ist die Absenkung der Mehrwertsteuer von 7 auf 5 und von 19 auf 16 Prozent mit Abstand die schlechteste Eingebung, die unsere Politik hatte. Die Corona-Steuerhilfe-Gesetze I und II traten zum 1.7.2020 in Kraft und werden den Bundeshaushalt in unfassbarer finanzieller Größe belasten. Wer aber ernsthaft davon ausgeht, dass diese Maßnahme die Konjunktur wieder aufblühen lässt, fehlt jedes Gespür für die Wirklichkeit in diesem Land.
Nimmt ein Gastwirt die Senkung der Mehrwertsteuer dankend an, ohne seine Preise anzupassen, versteht er also „Senkung“ als „Schenkung“, so ist ihm ein Shitstorm auf Facebook oder Twitter ziemlich sicher. Gibt er die ersparte Steuer an seine Kunden weiter, so kostet ein Grillteller beim Griechen, für den man bislang 14,50 € zahlen musste, nur noch 12,79 €. Die Getränke werden weiterhin mit dem Regelsteuersatz versteuert, der aber immerhin auf 16 % gesenkt wurde. Und so spart man bei jedem Bier, das bisher 1,80 € gekostet hat, nunmehr auch noch 0,05 €. Wer will bei diesem Preisverfall noch selber kochen und allein zu Hause bleiben? Allein die Umstellungen der Kassen in Gastronomiebetrieben zum 1.7.2020 (und wieder zum 1.1.2021 und zum 1.7.2021) wird mehr Geld verschlingen, als die Kunden gespart haben. Und es sind Kosten, die der von der Krise besonders gebeutelte Gastwirt dann auch noch selbst tragen muss. Gerade allgemein im Einzelhandel müssen im Eiltempo Kassensysteme geändert, Kalkulationen, Preisschilder und Rechnungsformulare überarbeitet und Buchhaltungssystem angepasst werden.
Profiteure der Mehrwertsteuersenkung sind für die zweite Jahreshälfte 2020 vielleicht die Automobilindustrie, deren Preise unkalkulierbar und unberechenbar sind (ein Schelm, wer Böses dabei denkt) und die Bauwirtschaft. Diese allerdings bezahlt die Mehrwertsteuerersparnis durch einen enormen buchhalterischen Aufwand, um Abschlagrechnungen, Teilleistungen und Schlussrechnungen auch ordnungsgemäß auseinander zu halten. Und es wurden in den Medien schon reichlich absurde Ideen verbreitet, wie man die Abnahme eines fertigen Gewerkes verhindert oder die Abnahme des nicht vollendeten Werkes vorzieht.
Der Beginn der Sommerferienwelle in Deutschland hat gezeigt, dass die Masse der Deutschen zurückhaltend beim Thema Urlaub und Konsum ist. Und bei fehlender Kauflaune spielen auch gesenkte Preise keine wirkliche Rolle. Das größte Konjunkturprogramm in der Geschichte Deutschlands, das der Verfasser dieser Zeilen selbst erleben durfte, wird voraussichtlich sinnlos verpuffen.