Sachverhalt: In den Umsatzsteuererklärungen der Streitjahre machte die Antragstellerin Vorsteuerabzugsbeträge aus Rechnungen mehrerer Firmen geltend, in denen die Artikel lediglich mit Angaben wie "Tunika, Hosen, Blusen, Top, Kleider, T-Shirt, Pulli, Bolero" bezeichnet waren. Das Finanzamt (FA) erkannte die Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen nicht an. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Antragstellerin Klage vor dem Finanzgericht (FG) und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) der streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide. Das FG lehnte den Aussetzungsantrag ab.
Der BFH hat der Beschwerde der Antragstellerin stattgegeben:
- Die beantragte AdV ist zu gewähren. An der Versagung des Vorsteuerabzugs aus den streitgegenständlichen Rechnungen bestehen ernstliche Zweifel.
- Derartige Zweifel folgen bereits daraus, dass zu den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung im Niedrigpreissegment noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt und diese Frage in der Rechtsprechung der FG unterschiedlich beantwortet wird.
- Ernstliche Zweifel ergeben sich darüber hinaus im Hinblick auf die Bedeutung und Reichweite des BFH-Beschlusses v. 29.11.2002 - V B 119/02. Danach reicht es als Leistungsbeschreibung nicht aus, wenn über "hochpreisige" Uhren und Armbänder mit Kaufpreisen von jeweils 5.000 DM und mehr mit bloßen Gattungsbezeichnungen Angabe "diverse Armbanduhren" oder "diverse Armbänder" abgerechnet wird. Die Identifizierung der Lieferung des jeweiligen Gegenstands sei unter diesen Umständen erst durch eine Abrechnung unter Aufzeichnung der handelsüblichen Bezeichnung des Gegenstands leicht und einwandfrei möglich.
- Ob diesem Beschluss entnommen werden kann, dass im Handel mit Waren im Niedrigpreissegment geringe Anforderungen an die Leistungsbeschreibung zu stellen sind, erscheint im Hinblick darauf klärungsbedürftig, dass die für den Vorsteuerabzug erforderlichen Angaben nicht durch ihre Zahl oder ihre technische Kompliziertheit die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (EuGH, Urteil v. 8.5.2013 - C 271/12 „Petroma Transports u.a.“).
- Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes können sich schließlich auch aus einem möglichen Verstoß des Steuergesetzes gegen eine unionsrechtliche Bestimmung ergeben. Das nationale Recht erfordert hinsichtlich der Art des Gegenstands dessen "handelsübliche Bezeichnung", während das Unionsrecht sich mit der "Art der gelieferten Gegenstände" begnügt (Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL).
Hauptbezug: BFH, Beschluss v. 14.3.2019 - V B 3/19, NWB DokID: MAAAH-12910; NWB Datenbank (Ls);
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