Sachverhalt und Verfahrensgang: Im Streitfall begehrte eine GmbH & Co. KG als Organgesellschaft Teil einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit der M-GmbH als Organträger zu sein. An der GmbH & Co. KG beteiligt waren neben der Komplementär-GmbH mehrere natürliche Personen und die M-GmbH, die ausweislich des Gesellschaftsvertrags, der für Entscheidungen in der Gesellschaft das Mehrheitsprinzip festlegte, die Stimmenmehrheit in der GmbH & Co. KG besaß. Zudem war die GmbH & Co. KG wirtschaftlich und organisatorisch in die M-GmbH eingegliedert.
Das Finanzamt verneinte eine Organschaft mit der Begründung, dass eine finanzielle Eingliederung der GmbH & Co. KG aufgrund der Beteiligung von mehreren natürlichen Personen auf Grundlage der Rechtsprechung des V. Senats des BFH (BFH, Urteil v. 2.12.2015 - V R 25/13, s. hierzu Trinks, NWB 6/2016 S. 390, NWB NAAAF-49374 sowie ausführlich Grambeck, StuB 7/2016 S. 268, NWB PAAAF-70208) nicht möglich sei (Abschnitt 2.8 Abs. 5a Satz 1 UStAE).
Daraufhin legte das FG Berlin-Brandenburg dem EuGH u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL dahingehend auszulegen ist, dass er der Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG entgegensteht, soweit durch diese einer Personengesellschaft (hier: einer GmbH & Co. KG), bei der Gesellschafter neben dem Organträger nicht nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, verwehrt ist, Organgesellschaft im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zu sein (Ausführlich zum Vorlagebeschluss des FG Berlin-Brandenburg v. 21.11.2019 - 5 K 5044/19 s. Hartmann, NWB 2/2020 S. 80, NWB MAAAH-38915).
Hierzu fĂĽhrt der EuGH weiter aus:
- Art. 11 der MwStSystRL ist im Licht der Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und der steuerlichen Neutralität dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Möglichkeit für eine Personengesellschaft, zusammen mit dem Unternehmen des Organträgers eine als ein Mehrwertsteuerpflichtiger zu behandelnde Personengruppe zu bilden, davon abhängig macht, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die in dieses Unternehmen finanziell eingegliedert sind.
- Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stellt der EuGH fest, dass eine nationale Regelung, mit der alle Personengesellschaften, zu deren Gesellschaftern natürliche Personen gehören, systematisch von den Vorteilen der Mehrwertsteuergruppe ausgeschlossen werden, über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels, missbräuchliche Steuergestaltungen zu verhindern, erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil v. 11.6.2020 - C‑146/19, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
- So sind weniger restriktive Maßnahmen denkbar, etwa in Form des Erfordernisses eines Urkundsbeweises allein für die Eingliederungsvoraussetzungen oder einer Bewilligung der Bildung einer Mehrwertsteuergruppe durch die Finanzverwaltung. Zu Letzterem hat der EuGH bereits entschieden, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einen Mitgliedstaat, der von der Befugnis Gebrauch gemacht hat, seinen Steuerpflichtigen das Recht einzuräumen, für eine bestimmte Steuerregelung zu optieren, nicht daran hindert, ihre Anwendung von einer Bewilligung der Finanzverwaltung abhängig zu machen (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil v. 30.4.2020 - C‑661/18 "Correios de Portugal", Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
- Eine solche Bewilligung und der schriftliche Nachweis der Eingliederungsvoraussetzungen würden Rechtsunsicherheiten von vornherein verhindern und zugleich einen wirksamen Schutz vor Missbräuchen bieten.
Quelle: EuGH Urteil v. 15.04.2021 - C-868/19, NWB WAAAH-76513 (il)
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