Nachfolgend werden die Sachverhalte, bisherigen Prozessverläufe und rechtlichen Problemstellungen beider Verfahren dargestellt:
Sachverhalt X R 20/19: Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger war freiberuflich tätig und daher Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Außerdem blieb er freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Kläger erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere „Rürup“-Renten und zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten. Das beklagte FA setzte für die gesetzliche Altersrente einschließlich der Leistungen aus der Höherversicherung den sich hierfür ergebenden „Besteuerungsanteil“ von 58 % an. Im Hinblick auf seine hohen Beitragsleistungen in zwei Versorgungssysteme wandte das FA die sog. Öffnungsklausel an, die es ermöglicht, in bestimmten Konstellationen für einen Teil der Altersrente die steuerlich günstigere Ertragsanteilsbesteuerung beanspruchen zu können. Im Streitfall führte das dazu, dass knapp die Hälfte der gesetzlichen Rente mit einem Ertragsanteil von nur 20 % erfasst wurde. Die „Rürup“-Renten wurden mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten - wie vom Gesetz vorgesehen - mit dem Ertragsanteil in Ansatz gebracht. Die Kläger wenden sich gegen die Höhe der Besteuerung ihrer Alterseinkünfte. Sie gehen davon aus, dass die Höherversicherung ein von der gesetzlichen Altersrente losgelöstes eigenes Rentenrecht begründe und die Leistungen hieraus in vollem Umfang mit dem Ertragsanteil von nur 20 % zu besteuern seien. Sie halten zudem die Öffnungsklausel für nicht anwendbar, da der hierfür erforderliche Antrag von ihnen nicht gestellt worden sei. Nach ihren Berechnungen seien die gesetzliche Altersrente, eine der „Rürup“-Renten und diverse Renten aus privaten Versicherungen in verfassungswidriger Weise „doppelt besteuert“ worden, d.h. die aus versteuertem Einkommen erbrachten Beiträge fielen höher aus als der steuerfreie Teil der zu erwartenden Rentenzahlungen.
Bisheriger Prozessverlauf X R 20/19: Das FG hat die Klage abgewiesen. Der BFH hat die Revision zugelassen.
Rechtliche Problemstellung X R 20/19: Der BFH wird sich in dem Verfahren mit mehreren, die „doppelte Besteuerung“ von Altersrenten berührenden Rechtsfragen auseinanderzusetzen haben. So wird u.a. zu beantworten sein, wie Zahlungen der Deutschen Rentenversicherung aus der Höherversicherung gemäß § 269 SGB VI - eine bereits seit mehr als 20 Jahren abgeschaffte, aber in Bezug auf die Beiträge bestandsgeschützte Versicherung der 1950er Jahre - im Rahmen der Regelungen zu den Alterseinkünften (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG) zu besteuern sind. Diese nicht dynamisierten Zusatzleistungen (sog. Steigerungsbeträge) beruhen auf freiwilligen Beiträgen und werden im Unterschied zur Altersrente nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechnet. Ein weiterer Schwerpunkt: Zur Vermeidung einer „doppelten Besteuerung“ sieht die Öffnungsklausel die Möglichkeit vor, unter bestimmten Voraussetzungen einen Teil der Alterseinkünfte nur mit dem günstigeren Ertragsanteils zu besteuern. Betroffen sind Fälle, in denen sehr hohe Beiträge in die Altersvorsorgesysteme eingezahlt wurden und daher zu vermuten ist, dass gemessen an der Höhe der Rentenansprüche zu geringe Beiträge steuerlich abziehbar waren. Allerdings verlangt das Gesetz, dass der Steuerpflichtige von sich aus tätig wird, d.h. beim FA die Anwendung der Öffnungsklausel beantragt. Der BFH wird über die Anforderungen an einen solchen Antrag zu befinden haben. Er wird sich ggf. auch dazu äußern müssen, wie sich ein nicht gestellter Antrag auf die Beurteilung auswirkt, ob die Altersrente „doppelt besteuert“ wurde. Ferner wird der BFH dazu Stellung beziehen, ob sich bei Leibrenten aus privaten Kapitalanlageprodukten im Hinblick auf deren Besteuerung mit dem Ertragsanteil die Frage einer „doppelten Besteuerung“ systematisch ergeben kann. Das FG hatte für mehrere vom Kläger bezogene Renten dieser Form eine „doppelte Besteuerung“ für das Streitjahr von insgesamt 100 € errechnet, diesen Betrag jedoch als lediglich geringfügig und daher als von den Klägern hinzunehmen angesehen. Das BMF ist dem Revisionsverfahren beigetreten.
Sachverhalt X R 33/19: Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger war als Angestellter zunächst Pflichtmitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er blieb dies auf Antrag auch während seiner späteren Tätigkeit als Freiberufler. Der Kläger bezieht seit Ende des Jahres 2007 eine gesetzliche Altersrente, die das beklagte FA im Streitjahr 2008 mit dem sog. Besteuerungsanteil von 54 % berücksichtigte. Die Kläger wenden hiergegen ein, in Anbetracht des hohen aus versteuertem Einkommen erbrachten Teils von Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung führe der Ansatz eines steuerpflichtigen Anteils von 54 % zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen „doppelten Besteuerung“ der Altersrente. Dies begründen sie damit, dass die aus versteuertem Einkommen geleisteten Altersvorsorgebeiträge höher ausfielen als der steuerfreie Teil der zu erwartenden Rentenzahlungen.
Bisheriger Prozessverlauf X R 33/19: Das FG hatte im ersten Rechtsgang die Klage abgewiesen. Der BFH hatte dieses Urteil am 21.6.2016 - X R 44/14, BFHE 254, 545 aufgehoben. Im zweiten Rechtsgang hat das FG weitere tatsächliche Feststellungen zu der von den Klägern gerügten „doppelten Besteuerung“ getroffen, die Klage aber erneut abgewiesen.
Rechtliche Problemstellung X R 33/19: Der BFH wird sich im jetzigen Revisionsverfahren mit mehreren - bislang noch nicht abschließend geklärten - Detailfragen zu den Berechnungsparametern einer etwaigen „doppelten Besteuerung“ von Altersrenten auseinandersetzen. So wird das Gericht voraussichtlich darüber entscheiden, ob bestimmte durch das Gesetz steuerfrei gestellte Beträge bei der Ermittlung des steuerunbelastet zufließenden Teils der Rente einzubeziehen sind und diesen somit erhöhen. Hierzu zählen vor allem der Grundfreibetrag und die abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge. Ungeklärt ist zudem, ob Ansprüche aus einer späteren Hinterbliebenenversorgung des statistisch länger lebenden Ehegatten zu berücksichtigen sind. Ferner sind weitere Ausführungen des Bundesfinanzhofs zu der Frage zu erwarten, wie im Einzelnen zu bestimmen ist, ob oder inwiefern Altersvorsorgeaufwendungen in der Erwerbsphase aus versteuertem Einkommen geleistet wurden oder durch einen Sonderausgabenabzug steuerlich unbelastet erbracht werden konnten. Das BMF ist dem Revisionsverfahren beigetreten.
Quelle: BFH Pressemitteilungen Nr. 10/2021, Nr. 11/2021 (JT)
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