Aus dem Buch "Im Namen des Volkes" von Dipl.-Finanzwirt Ralf Sikorski mit Zeichnungen von Karikaturist Philipp Heinisch (erschienen im Erich-Schmidt-Verlag)
Die beste Arbeit ist das hochbezahlte Hobby
FreizeitbeschĂ€ftigungen werfen mitunter hohe Kosten auf, die man immer wieder gerne dem Finanzamt gegenĂŒber steuermindernd erklĂ€rt. Und so musste allen Ernstes das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entscheiden, ob die Anschaffung von mehr als 20 000 Skeletten (!) beim KĂ€ufer den Begriff der Werbungskosten auslöst.
Dr. Paul Winkelmann war Anthropologe aus Leidenschaft, eine Leidenschaft, die schon drei Ehen zugrunde gerichtet hatte. Er verbrachte einfach viel lieber seine Zeit im Labor oder im Hörsaal der UniversitĂ€t, an der er lehrte, als zu Hause. Auch solche Menschen muss es geben. Im Streitjahr bereiste Dr. Winkelmann fĂŒr einige Wochen Nordamerika und brachte â wie dies auf solchen Reisen ĂŒblich ist â einige Souvenirs mit. Dies waren allerdings keine der ĂŒblichen Schneekugeln mit dem Empire State Buildung oder den Niagara-FĂ€llen, sondern unter anderem 5 teure, alte FachbĂŒcher und â nur ungewöhnlich fĂŒr uns normale Menschen â 33 menschliche SchĂ€del. Ausweislich der von ihm selbst ausgestellten Bescheinigung der UniversitĂ€t fĂŒr das Streitjahr ist eines seiner Spezialgebiete Zahnmorphologie und -pathologie.
Im Rahmen seiner SteuererklĂ€rungen fĂŒr die letzten sieben Jahre machte Dr. Winkelmann immer wieder hohe Aufwendungen fĂŒr den Ankauf von Knochen und SchĂ€deln (Skelettmaterial) sowie Fachliteratur geltend. Die Aufwendungen dieser Jahre summierten sich einschlieĂlich umfangreicher Reisekosten letztlich auf rund 480.000 DM (Hinweis fĂŒr unsere jĂŒngeren Leser: die âDeutsche Markâ (DM) war einmal eine WĂ€hrung in der Bundesrepublik Deutschland). Den Aufwendungen stand jeweils ein Bruttoarbeitslohn von jĂ€hrlich rund 120.000 DM entgegen. Nach eigenem Sachvortrag des KlĂ€gers besitzt er zwischenzeitlich 12 000 frĂŒhhistorische und 1 000 prĂ€historische menschliche und tierische SchĂ€del und zudem 7 000 weitere Skelettteile. Das gesamte Material diene ausschlieĂlich Forschungszwecken und habe einen hohen wissenschaftlichen Wert. So habe beispielsweise ein SchĂ€del aus Nordafrika mittlerweile allein einen Wert von ca. 1 Million DM. Er werde deshalb auch im Tresor der UniversitĂ€t aufbewahrt. Das gesamte Material â so der Einwand des KlĂ€gers â sei ausschlieĂlich fĂŒr den Lehrbetrieb bestimmt.
Die zustĂ€ndigen Richter trafen folgende sicherlich auch fĂŒr einen ungeĂŒbten Rechtsanwender als weise einzustufende Entscheidung (FG Rheinland-Pfalz vom 30.11.1994, 1 K 1951/93):
âErwirbt ein Anthropologe im Laufe der Zeit mehr als 20 000 menschliche SchĂ€del und Skelettteile, so steht dem diesbezĂŒglichen Werbungskostenabzug § 12 Nummer 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz entgegen. Die berufliche Veranlassung wird in diesem Fall durch eine private Sammelleidenschaft ĂŒberlagert.â
Unter BerĂŒcksichtigung aller UmstĂ€nde mochte sich der erkennende Senat des Eindrucks nicht zu verwehren, dass zur Anschaffung der streitbefangenen BĂŒcher und Skelettteile nicht eine berufliche Motivation, gerichtet auf das mit ihrer Hilfe geplante wissenschaftliche Arbeiten, fĂŒr den KlĂ€ger ausschlaggebend war, sondern doch eher private UmstĂ€nde. Es erschien den Richtern insbesondere wenig glaubhaft, dass der KlĂ€ger mit Hilfe veralteter BĂŒcher neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen will.
Und jetzt kommt die wirklich ĂŒberzeugende BegrĂŒndung, warum dem Steuerpflichtigen gar keine Kosten entstanden sind, selbst wenn man die berufliche Veranlassung der Anschaffungen akzeptieren wĂŒrde: Diese Dinge nutzen nicht ab!
âUnabhĂ€ngig hiervon kommt eine Absetzung fĂŒr Abnutzung fĂŒr die erworbenen SchĂ€del nicht in Betracht, weil eine wirtschaftliche oder technische Abnutzung nicht angenommenen werden kann; die ausgegrabenen GegenstĂ€nde unterliegen keinem Wertverzehr.â
Da sich die (unterstellte) berufliche Nutzung der angeschafften BĂŒcher und insbesondere der Skelette (!) erfahrungsgemĂ€Ă ĂŒber einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstrecken wĂŒrde, wĂ€ren die Aufwendungen allenfalls ĂŒber die anzusetzende Abschreibung (Absetzung fĂŒr Abnutzung) zu berĂŒcksichtigen gewesen. Dies setzt aber voraus, dass die betreffenden GegenstĂ€nde abnutzbar sind. Dies ist hier aber nicht der Fall, denn die GegenstĂ€nde verlieren durch ihren bestimmungsgemĂ€Ăen Gebrauch wirtschaftlich nicht an Wert. Auch die Tatsache, dass der KlĂ€ger, obwohl er mehr als 20 000 menschliche und tierische SchĂ€del und andere Skelettteile besitzt, immer weiteres Material erwirbt, welches wirtschaftspolitisch nicht abnutzt, spreche fĂŒr eine private Sammlerleidenschaft und nicht fĂŒr eine berufliche Veranlassung.
Dipl.-Finanzwirt Ralf Sikorski ist nach langjĂ€hriger DozententĂ€tigkeit an der Fachhochschule fĂŒr Finanzen in Nordrhein-Westfalen heute Sachgebietsleiter in einem Finanzamt. Seine Dozentenrolle nimmt er daneben immer noch bei zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen wahr. DarĂŒber hinaus hat er sich als Autor diverser steuerlicher Lehr- und PraktikerbĂŒcher einen Namen gemacht. Seine StilblĂŒtensammlungen âMeine Frau ist eine auĂergewöhnliche Belastungâ, âWo bitte kann ich meinen Mann absetzenâ und âIch war Hals ĂŒber Kopf erleichtertâ sowie das MĂ€rchenbuch âVon Steuereyntreibern und anderen Blutsaugernâ runden sein vielfĂ€ltiges TĂ€tigkeitsbild ab. Der o. g. Text ist seinem aktuellen satirischen Werk âIm Namens des Volkesâ entnommen.
ErhÀltlich ist das Buch hier im Erich-Schmidt-Verlag