Sachverhalt: Streitig ist das Besteuerungsrecht an den Einkünften eines in der Schweiz aktiven berufsmäßigen Künstlers mit Wohnsitz im Inland im VZ 2012. Der Kläger wirkte in dieser Zeit als sog. Chorzuzüger (nicht festangestellter professioneller Sänger) für zwei Opernhäuser an diversen Opern mit. In den Chorzuzügerverträgen verpflichtete sich der Kläger u.a. auch zur Mitwirkung an den Proben, bei denen kein Publikum anwesend war. Proben und Vorstellungen wurden zu unterschiedlichen Stundensätzen abgerechnet. Die Opernhäuser behielten von den dem Kläger zustehenden Vergütungen Quellensteuer ein und führten diese an die Eidgenössische Steuerverwaltung ab. Das deutsche Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger auf Grundlage von geschätzten Einkünften aus selbständiger Tätigkeit Einkommensteuer fest. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz teilweise Erfolg. Das FG ging von Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit aus und unterwarf lediglich den Teil der Vergütung der Besteuerung, der auf die Auftritte des Klägers vor Publikum entfiel. Der auf die Probentätigkeit entfallende Arbeitslohn sei lediglich bei der Berechnung des Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen, die in der Schweiz gezahlte Quellensteuer sei auf die tarifliche Einkommensteuer anzurechnen (s. hierzu Lieber, IWB 13/2017 S. 474, NWB DokID: DAAAG-49396).
Die Richter des BFH folgten dem nicht:
- Die vom Kläger im Streitjahr bezogenen Einnahmen unterfallen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Einkommensteuer.
- Das Mitglied eines Opernchors ist "KĂĽnstler" i.S. von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010.
- Das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 umfasst auch die Vergütungsteile, welche dem Künstler für die Mitwirkung an Proben gezahlt werden, die der Vorbereitung der Auftritte vor Publikum dienen.
- Für die Berechnung der "Nichtrückkehrtage" gemäß Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 spielt es auch für die VZ vor 2015 keine Rolle, ob der Arbeitnehmer in dem betreffenden Kalenderjahr für einen oder für mehrere Arbeitgeber tätig gewesen ist (entgegen BMF-Schreiben v. 19.09.1994, BStBl I 1994, 683, und v. 18.12.2014, BStBl I 2015, 22).
- Eine Übereinkunft zwischen den deutschen und den Schweizer Steuerbehörden (hier: Konsultationsvereinbarung mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung zur einheitlichen Anwendung und Auslegung des Art. 15a DBA-Schweiz 1971 i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 21.12.1992, BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) bindet die Gerichte nicht (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
- § 2 Abs. 2 AO (i.d.F. des JStG 2010) i.V.m. § 9 Abs. 1 KonsVerCHEV v. 20.12.2010 (BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2010, 146) ändert daran nichts; § 2 Abs. 2 AO (i.d.F. des JStG 2010) genügt insoweit nicht den Bestimmtheitsanforderungen, die nach Art. 80 Abs. 1 GG an eine Verordnungsermächtigung zu stellen sind.
Hauptbezug: BFH, Urteil v. 30.05.2018 - I R 62/16; NWB DokID: DAAAG-99273 (il)
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